Lebensmittelwelt

Lebensmittel ohne Chemie und aus der Region. Ein Haustürgespräch.

Es klingelt. Der Mann vor der Haustür fällt mir mit den Worten “Ich will Ihnen nichts verkaufen.” fast ins Haus. Ich zeige mich erfreut, bin aber schon in Abwehrposition. Fremde Menschen an der Haustür bringen selten Gutes.
“Ich möchte Ihnen nur unsere Katalog überreichen.”
“Danke, aber ich brauche keinen Katalog.”
Mit diesen Worten wollte ich mich schon abwenden und dem Mann noch einen schönen Tag wünschen, da sagt er plötzlich ein paar Worte, mit denen er meine volle Aufmerksamkeit erobert.
“Wir verkaufen Lebensmittel ohne Chemie.”
“Ach, Lebensmittel ohne Chemie? Das geht doch gar nicht. Unser ganzes Leben ist Chemie.”

Alles aus der Region

“Nein, wir haben nur natürliche Lebensmittel. Die sind fast ausschließlich hier aus der Region.”
Ich schmunzle in mich hinein. Ohne Chemie, natürlich und aus der Region. Die aktuell wirksamsten Argumente, wenn es darum geht, Lebensmittel an die Frau oder den Mann zu bringen. Und dann erzählt er mir was über den Fisch, den sie anbieten würden. Er spricht dabei so schnell, dass ich fast nicht folgen kann. Taktik? Bei Fisch wisse man ja meistens nicht, wo er herkommt, und ihr Fisch stamme nur aus legalem Fang.
Ich blättere in dem Katalog, den ich inzwischen in den Händen halte, und schaue nach den Fischfanggebieten: Nordostatlantik, Südwestatlantik, Südostatlantik, Nordwestpazifik, Südamerika, Asien, Europa, Nordwestpazifik, Nordostpazifik.
“Aus der Region ist das ja nicht gerade.”
“Das ist bei Fisch ja auch nur schwer möglich”, klärt mich der gute Mann auf. Ich schwenke auf mein Lieblingsthema und frage, ob sie auch Fleich anbieten.
“Ja, ja, Fleisch haben wir auch im Angebot. Aber unser Eis, das machen wir zum Beispiel noch selber.”
“Schön, und wo kommt das Fleisch her?”
“Unser Eis müssen sie mal probieren. Haben Sie Kinder?”
“Und das Eis machen Sie ohne Chemie?”
“Ja, ja, ganz bestimmt, das sind nur natürliche Zutaten.”
“Und diese natürlichen Zutaten sind alle aus der Region? Vanille, Pistazien, Nüsse, Schokolade auch?”
“Schauen Sie sich den Katalog mal in Ruhe an. Darf Sie mein Chef dann mal anrufen?” Spricht er und hält schon Stift und Papier parat, um meine Telefonnummer zu notieren. Die kriegt er natürlich nicht.
“Meine Telefonnummer gebe ich nicht weiter. Aber Ihr Chef kann mich gerne mal besuchen. Vielleicht kann der mir dann meine Fragen beantworten, denen Sie so schön ausgewichen sind.”

LED-Röhren

“Ich mache das hier ja nur so nebenbei und verteile die Kataloge. Eigentlich vertreibe ich auch noch LED-Röhren. Wenn Sie da mal jemanden kennen, der Bedarf hat. Damit kann man ja viel Geld sparen. Und bei mir kriegen Sie die garantiert billiger als woanders.”
“Ich brauche aber keine LED-Röhren. Schicken Sie mir mal Ihren Chef vorbei, der kann mir dann vielleicht meine Fragen zu den Lebensmittel beantworten.”
“Also unser Eis, das müssen Sie wirklich mal probieren, das schmeckt toll.”
“Und ist ohne Chemie und aus der Region. Das weiß ich ja nun schon. Nur müssen Sie mir ja auch nachweisen können, dass das stimmt.”
“Glauben Sie das stimmt nicht?” Plötzlich scheint er mich verstanden zu haben. Seine LED-Röhren glühen.
“Genau.”
“Sind Sie da irgendwie vom Fach?”
“Nen bisschen.”
Ich kläre ihn auf.
“Ja, ja, die Fleischerei Schröder kennt man natürlich.”
“Na, dann scheinen ja wenigstens Sie aus der Region zu sein.” Er lacht. Ich lache.
“Schauen Sie sich den Katalog mal an. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.”
“Den wünsche ich Ihnen auch.”

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